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Männer auf der Suche - das neue Bild vom Mann


Neulich war ich wieder einmal nachhaltig irritiert: Ich hatte eine Doku über das neue Männerbild gesehen. Darin wurde über ein Männerseminar mit über 200 Teilnehmern berichtet, die sich während eines 7-tätigen Prozesses halbnackt im Ringkampf übten, ganz nackt in einen sehr kalten See stürzten und sich zum besseren Einfühlen und -denken als Frauen verkleideten. Beim Zuschauen beschlich mich ein leichtes Unwohlsein, dass noch immer anhält. Die Frage, die sich mir stellte, war und ist: Handelt es sich hier um den verzweifelten Versuch der Spezies ‘Mann’, verloren gegangenes Territorium mit altbekannten Mitteln zurückzuerobern oder steckt hinter diesen archaisch anmutenden Ritualen das ehrlich gemeinte Streben nach Neubesinnung?

In der Doku wurden nicht nur martialische Übungen für den Krieger im Manne dargestellt, sondern auch die männliche Sicht auf Gefühle, Nähe und Erotik thematisiert. Dabei fiel mir auf, dass die einzige Zielsetzung des Seminars darauf zu beruhen schien, dass jeder Teilnehmer mit und nach dem Seminar befähigt werden sollte, beim weiblichen Geschlecht zukünftig besser punkten zu können.

In einem Interview sagte eine dazu befragte Frau, für sie sei diese Art von Selbstfindung von Männern eher kontraproduktiv und sie halte den Ausschluss von Frauen aus gewissen Männerseminaren für eher gefährlich denn nützlich.

Dem kann ich mich nach dieser Doku eigentlich nur anschließen.

Wenn ich schon antrete, um mich selbst und meine Beziehung zum anderen Geschlecht auf den Prüfstand zu stellen, sollte ich wohl ab einem gewissen Punkt diese andere Sichtweise auch mit einbeziehen. Und das nicht in Form eines theatralischen Verkleidungsaktes, sondern gemeinsam mit denen, die selbst betroffen sind und es daher eigentlich am besten wissen müssten. Es spricht ja nichts dagegen, sich für bestimmte Themen unter Gleichgesinnten bzw. -geschlechtlichen zu bewegen. Wenn es um persönlichen Erfahrungsaustausch und Offenheit im Umgang mit den eigenen Gefühlen geht, kann eine geschlechtergetrennte Herangehensweise durchaus nützlich sein. Wenn ich aber wirklich daran interessiert bin, einen konstruktiven Beitrag zur Mann-Frau-Beziehung leisten zu wollen, ist das Hinzuziehen des jeweils anderen Geschlechts eigentlich nur eines, nämlich logisch. Ansonsten besteht die Gefahr, sich weiter in alten Rollenklischees zu bewegen und sich am Ende noch darin zu bestärken.

 

Die Frage der Doku ‘Wann ist der Mann ein Mann?’ entspringt offensichtlich dem Bedürfnis, genau diese überholten Rollenklischees zu hinterfragen und neu zu definieren.

Interessant ist dabei, dass wir in unserer derzeitigen - westlich geprägten - Gesellschaft zwar über die Gleichstellung der Geschlechter in Form von sprachlicher Diskriminierung - Stichwort ‘Gendern’ - die Köpfe heiß diskutieren. Wenn man dann jedoch in die mediale Darstellung der - noch immer dominanten - Mann-Frau-Rollen ansieht, beschleicht mich ein schlimmer Verdacht: Wir diskutieren vom falschen Ende her!

Da wird einerseits von gendergerechter Sprache geredet, die alle möglichen Geschlechterformen - m/w/d - inkludiert und nieman(frau?)den diskriminert. Andererseits sind mediale Ereignisse wie ‘Heidi Klums Next Topmodel’ oder ‘Der Bachelor’ nach wie vor Quotenhits und demonstrieren Rollenklischees, wie sie klassischer und damit diskriminierender nicht sein könnten. Da werden sowohl Frauen wie Männer in erster Linie auf ihr Äußeres reduziert, die Frau meist als verführerisch(e) Vamp(in?), der Mann als obercooler, bodygebuildeter Haudegen. Ganz so, als hätte es hundert Jahre Womens Liberation nie gegeben. Der Aufwand, der noch dazu für die Optimierung dieses Äußeren betrieben wird, scheint dabei in keinerlei Verhältnis zu dem Aufwand zu stehen, der betrieben wird, um den eigenen geistigen Horizont zu erweitern. Da fühle ich mich doch gleich an die alte Erkenntnis des römischen Philosophen Seneca erinnert “Es wundert mich doch sehr, dass viele den Körper, aber nur wenige den Geist ertüchtigen”.

 

Wenn ich mich dann in meinem persönlichen gesellschaftlichen Umfeld so umsehe, stelle ich eins ums andere mal fest: So weit hat sich die Rolle des Mannes und die der Frau gar nicht von den Rollenmustern der letzten Jahrzehnte (wenn nicht gar Jahrhunderte) weiterentwickelt. Da scheinen Männer nach wie vor in erster Linie damit beschäftigt zu sein, sich selbst und anderen ständig beweisen zu müssen, wie stark und leistungsfähig sie im ständigen Konkurrenzkampf sind, während Frauen nach wie vor in erster Linie schön und damit repräsentativ sein sollen und vor allem fürs Häusliche, sprich Kinder und Haushalt, herangezogen werden. Selbst Frauen in Führungspositionen werden überzufällig oft nach mehr nach ihrem äußeren Erscheinungsbild denn nach ihren inhaltlichen Aussagen beurteilt, während  dies bei Männern offensichtlich eine eher untergeordnete Rolle spielt.

Da fragt man sich auch als Mann, ob die letzten Jahrzehnte der Emanzipationsbewegung, neben der rechtlichen Gleichstellung der Frau, auch in den Köpfen der Betroffenen grundsätzlich etwas verändert haben.

 

Damit will ich nicht abstreiten, dass ich selbst in meiner überschaubaren Lebenszeit große Veränderungen in punkto Emanzipation der Frau beobachten konnte. Immerhin muss sich heute keine Frau mehr - zumindest in unserer Gesellschaft - die schriftliche Erlaubnis des Mannes geben lassen, wenn sie sich beruflich betätigen möchte.

Die Tatsache jedoch, dass das Lohn- und Einkommensniveau für Frauen im Durchschnitt noch immer um einiges unter dem der Männer liegt, Frauen in Führungspositionen noch immer eher die Ausnahme bilden und der Hauptanteil der häuslichen und Erziehungsaufgaben noch immer bei den Frauen liegt, spricht dagegen eine ganz andere Sprache. Was nützt es der Frau, wenn sie sich zwar gendergerecht als LeiterIn ansprechen lassen kann, am Monatsende jedoch keinen gendergerechten Lohn erhält?

 

Wie kann es gelingen, aus dieser Nummer auszusteigen und neue Formen des Umgangs miteinander zu finden?

Aus meiner Sicht sind dazu in erster Linie die Männer gefordert. Schließlich haben sie es in den letzten Jahrzehnten (und Jahrhunderten) im wahrsten Sinne verbockt, indem sie eine patriarchale Herrschaftsstruktur geschaffen und viel zu lange aufrecht erhalten haben. Es ist wohl jetzt in erster Linie an ihnen, Wiedergutmachung zu leisten und einen nachhaltigen Bewusstseinswandel voranzutreiben.

 

Und da sind wir wieder bei der Ausgangsfrage: Wie kann ich als Mann ein Rollenbild neu definieren, dass nicht wieder an die überlieferten Rollenklischees des Last Action Heros anknüpft?

 

Als erstes sollte ich mich vermutlich von dem Gedanken verabschieden, dass die wirkliche Stärke des Menschen, also auch des Mannes, im Materiellen liegt. Das bezieht sich sowohl auf den Körper, als auch auf den materiellen Besitz. Beides, so hat man zumindest den Eindruck, sind nach wie vor die Kriterien, nach denen nicht nur, aber vor allem männlicher Erfolg gemessen wird. Der smarte und supercoole Alles-Checker, erfolgreich im Business und ein Schlag bei Frauen, natürlich auch familientauglich und kinderlieb, dort aber nur zeitlich begrenzt einsetzbar, weil eben so stark eingespannt in seiner Ernährerrolle. So oder so ähnlich scheint sich das Bild vom Mann als Klischee über die Zeit gerettet zu haben.

Die innere Abkehr von diesem Abziehbild des Männlichen fällt nach meiner Erfahrung vielen Männern noch immer sehr schwer, bei allen Konzessionen, die die meisten mehr oder weniger freiwillig - nach zähem Ringen - im Rahmen von Vereinbarungen mit dem anderen Geschlecht eingehen.

Die Idee, sich selbst über seinen Körper oder den materiellen Besitz zu definieren, hat im Laufe der Geschichte einfach schon zu viel Leid hervorgerufen. Schon weiland Darwin hatte bei seiner Aussage ’The survival of the fittest’ nicht von körperlicher oder anderer Stärke, sondern von sozialer Anpassungsfähigkeit gesprochen.

 

Das führt zwangsläufig zur nächsten Schlussfolgerung: Der dem männlichen Geschlecht nachgesagte Hang zur rationalen Intelligenz, also der eher vernunft- und weniger gefühlsbetonten Denkweise, hat uns heutzutage mehr oder weniger an den Rande des Abgrunds gebracht: Wenn es uns - und damit meine ich nicht nur, aber vorwiegend die Männer - nicht möglichst bald gelingt, unsere emotionale und damit soziale Intelligenz mehr einzusetzen und ins Spiel zu bringen, werden wir mit den begrenzten Ressourcen des Planeten wohl bald an die Grenzen des Machbaren stoßen. Da hilft auch keine noch so ausgeklügelte technische oder künstliche Intelligenz, um das Schlimmste zu verhüten. Es geht vielmehr um die Rückbesinnung auf Überlebensstrategien wie Kooperation statt Konkurrenz, Teilen statt Horten, Bewahren statt Konsumieren.

 

Kurzum: Die Welt benötigt dringend eine wirkliche Zeitenwende in Form von mehr weiblichem Bewusstsein! Dabei ist dies von Fürsorge und emotionaler Beziehung geprägte Bewusstsein nicht auf das weibliche Geschlecht an sich reduziert, sondern prinzipiell jedem Menschen, sprich Männlein, Weiblein und Diversen zugänglich. Auch Männer sollten allmählich begreifen, dass es mehr Gefühle auf der Welt gibt als Hunger und Durst und männliche Stärke sich nicht dadurch auszeichnet, dass Gefühle bei den wirklich wichtigen Themen außen vor zu bleiben haben. In Wahrheit ist es genau diese Gefühlsebene, die den Menschen dazu befähigt, seine Handlungen menschengerecht, sprich lebenserhaltend und nicht lebensvernichtend, zu gestalten. Die einseitige Benutzung des rationalen Denkvermögens führt, wie die Geschichte lehrt, zu immer perfideren Systemen der Unterdrückung und Zerstörung, in denen dem Menschen scheinbar jegliches zwischenmenschliche Empfinden ausgetrieben wird und abhanden kommt.

Der heutige Zustand der Welt ist nach meiner Einschätzung zum überwiegenden Teil ein Ergebnis genau dieser ’männlichen’ Denk- und Handlungsweise. Wenn es also gelingen soll, diese Welt in eine ’enkeltaugliche Zukunft’ zu führen, geht kein Weg daran vorbei, dass sich bei den Männern dieser Welt ein Bewusstsein darüber ausbreitet, dass Frauen grundsätzlich eine Bereicherung des eigenen geistigen und seelischen Lebens sind. Ohne sie wären wir Männer gar nicht auf dieser Welt und nur unter der Führung ihrer Weisheit und Stärke können wir hoffen, aus dem Schlamassel jemals wieder herauszukommen.

    

P:S: Das heißt natürlich im Umkehrschluss nicht, dass ich mich blind jeder Frau anvertrauen würde in der Annahme, sie wüsste schon, was für uns beide das Richtige ist. Mein Vertrauen in die Weisheit und Stärke einer Frau hängt in erster Linie davon ab, wie weit sie selbst dieser bewusst ist und sie entwickelt hat. Ich weiß nur aus eigener Erfahrung, dass es sie gibt, diese Frauen. Man(n) muss nur danach suchen.

 

P.P.S: Kleiner Lesetipp in eigener Sache: Mehr zum Thema Mann-Frau findet sich in meinen Büchern, vor allem im Buch ‘Seelenheilung’.